Geschichte der Ostschweizer Textilindustrie
Die Ostschweiz ist ein eigentliches «Textilland». Lange zählte sie zu den weltweit wichtigsten und grössten Exportgebieten für Stickereiprodukte. Um 1910 kam über die Hälfte der weltweiten Produktion aus der Ostschweiz und die Stickerei bildete mit einem Anteil von rund einem Fünftel den grössten Exportzweig der gesamten Schweizer Wirtschaft. Der Erste Weltkrieg brachte das Ende der Stickerei-Hochblüte in der Ostschweiz und der Wirtschaftszweig verlor quantitativ an Bedeutung. Doch der Handel und die Herstellung von Textilien haben die Ostschweiz entscheidend geprägt – und umgekehrt. Bis heute gehören zahlreiche Ostschweizer Unternehmen weltweit zu den führenden und innovativsten Anbietern der Textilbranche und verwandter Industrien – von der Haute Couture über die Medizinaltechnik bis zur Architektur. Dank Erfindergeist und Innovationskraft, Präzision und Zuverlässigkeit.
Schon lange bevor die Stadt im 19. Jahrhundert für ihre exquisiten Stickereien berühmt wurde, hatten St.Galler Kaufleute erfolgreich europaweit Handel mit Leinenstoffen aus Ostschweizer Produktion betrieben. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war die Textilindustrie der wesentliche Wirtschaftsfaktor in der Ostschweiz. Während Jahrhunderten lebten Tausende von Familien und Arbeitern vom Handel und der Produktion von Textilien. Das Leinwandgewerbe blühte bis Anfang des 18. Jahrhunderts. Abgelöst wurde es durch die Produktion von Baumwollgeweben. Mit der Erfindung der Handstickmaschine löste die Stickerei um 1850 die Baumwollindustrie ab.
Heute prägen textile Produktionsmethoden auch Innovationen in anderen Bereichen, z.B. in der Kunststoff-, Filter- oder Leiter-Herstellung, und für die Stickerei gilt besonders die St.Galler Stickerei nach wie vor weltweit als wegweisend. Hier finden Sie spannende Berichte aus der heutigen Textilwelt.
Zeitspanne
Jahr | |
---|---|
1945 - heute | Die Ostschweizer Textilindustrie heute |
1914 - 1950 | Die Stickereikrise |
1850 - 1914 | Die Stickereizeit – die «goldenen Jahre» |
1750 - 1850 | Die Baumwolle – der Beginn der Industriealisierung |
1200 - 1700 | Die Leinenzeit – das «weisse Gold» |
Zeitleiste
Jahr | |
---|---|
Ab 1995 bis heute | Verlagerung der Fertigung von Grossaufträgen nach Asien und Spezialisierung der schweizerischen Produktion auf hochwertige Stickereien für Wäsche, Haute-Couture/ Prêt-à-porter und Smart Textiles |
1989-91 | «Boom-Jahre» mit über 200 Mio. Umsatz |
1935 | Der Stickereiexport fällt auf CHF 12 Mio. (1919: CHF 420 Mio.) |
1920 | Die Stickerei-Industrie befindet sich während der ganzen Zwischenkriegszeit in der Krise. Als Folge von Arbeitslosigkeit fällt die Einwohnerzahl von St. Gallen zwischen 1910 und 1941 von 75’482 auf 62’345. |
1912 | Die St.Galler Stickerei führt mit 18 % Anteil die Schweizer Exportstatistik an und hält 50 % der Weltproduktion. |
1890 | 19’389 Stickmaschinen sind in der Ostschweiz in Betrieb. (1872: 6’384) |
1886 | Das Industrie- und Gewerbemuseum (heutiges Textilmuseum) wird an der Vadianstrasse (Bild) in St.Gallen eröffnet. |
1863-64 | Erfindung Schifflistickmaschine durch Isaac Gröbli |
Um 1850 | Der Aufstieg St.Gallens zum (nationalen) Stickereizentrum beginnt. |
1828 | Erfindung der Handstickmaschine durch Josua Heilmann |
Um 1800 | In St.Gallen entsteht die erste mechanisch betriebene Baumwollspinnerei der Schweiz. |
1750 | Die Baumwolle gewinnt immer mehr an Bedeutung. |
1721 | In St.Gallen wird erstmalig Baumwolle verarbeitet. |
1450 | St.Gallen wird zum Leinwandzentrum des Bodenseeraums. Der Erfolg beruht stark auf der hohen Qualität der Tücher, die europaweit zu einem Exportschlager werden. |
Mittelalter (ab 800) | Urkunden aus dem Kloster St.Gallen und der berühmte, einzigartige St.Galler Klosterplan weisen schon im 9. Jahrhundert auf Stoffe aus Leinen hin. |